Am Rand des kleinen Ortes Goseck im Burgenlandkreis von Sachsen-Anhalt verbirgt sich ein faszinierendes Stück Menschheitsgeschichte: das Sonnenobservatorium von Goseck. Diese jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlage gilt als das älteste bislang bekannte Sonnenobservatorium der Welt – rund 2000 Jahre älter als das berühmte Stonehenge in England.

Entdeckung aus der Luft

Erst 1991 wurde die Anlage durch den Luftbildarchäologen Otto Braasch entdeckt, der bei einem Erkundungsflug ringförmige Bodenverfärbungen wahrnahm. Zwischen 2002 und 2004 wurde die Anlage im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts vollständig ausgegraben – mit erstaunlichen Ergebnissen. Die Grabanlage stammt aus dem Mittelneolithikum und wurde um etwa 4900 v. Chr. von der Kultur der Stichbandkeramik errichtet. Archäologen datieren ihre Nutzung bis ins 47. Jahrhundert v. Chr. Damit blickt Goseck auf eine fast 7000-jährige Geschichte zurück.

Archäologie trifft Astronomie

Die Anlage besteht aus einem annähernd kreisförmigen Graben mit einem Durchmesser von etwa 71 Metern, der von einem flachen Erdwall umgeben ist. Im Inneren befanden sich zwei konzentrische Palisadenringe, in denen drei exakt ausgerichtete Tore eingelassen waren. Zwei dieser Tore – im Südosten und Südwesten – markieren mit bemerkenswerter Genauigkeit den Sonnenauf- und -untergang zur Wintersonnenwende. Das nördliche Tor weist genau auf den astronomischen Meridian. 2004 wurde zudem eine Visiereinrichtung entdeckt, mit der sich auch die Sommersonnenwende bestimmen ließ.

Die exakte Ausrichtung dieser Tore zeigt deutlich: Die Menschen jener Zeit verfügten über erstaunliche astronomische Kenntnisse. Goseck diente offenbar zur Beobachtung und Berechnung der Sonnenwenden – und war damit weit mehr als ein Ritualplatz.

Rituale und Geheimnisse

Doch Goseck birgt nicht nur Hinweise auf frühe Astronomie. Bei den Ausgrabungen stießen Archäologen auch auf zahlreiche Rinderknochen, insbesondere Schädel, sowie auf sorgfältig bearbeitete menschliche Überreste, deren Fleisch offenbar abgetrennt wurde. Ob es sich dabei um rituelle Begräbnisse oder gar um Menschenopfer handelte, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Hierbei bestehen Parallelen zu Fundorten wie die Jungfernhöhle (mit Kannibalismusverdacht), und die keltische Kultstätte Esperhöhle in der Fränkischen Schweiz sowie den mysteriösen Knochenfunden von Herxheim.

Ein Ort auf den „Himmelswegen“

Heute ist das Sonnenobservatorium Teil der touristischen Route „Himmelswege“, zu der auch der Fundort der Himmelsscheibe von Nebra, das Großsteingrab Langeneichstädt, die Kreisgrabenanlage von Pömmelte und das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle gehören. Goseck liegt dabei eindrucksvoll auf einem Plateau über dem Saaletal – ein Ort, der mit seiner archaischen Aura und dem weiten Blick bis heute beeindruckt.

Nur etwa einen Kilometer entfernt wurde zudem eine weitere bedeutende Siedlung entdeckt: ein 7000 Jahre altes Dorf der älteren Linearbandkeramik, gefunden von einem Grabungsteam der Universität Halle. Damit verdichtet sich das Bild einer hoch entwickelten, eng mit dem Kosmos verbundenen Siedlungslandschaft in der Jungsteinzeit.

Veranstaltungen in Goseck

In Goseck finden immer wieder Veranstaltungen statt. Ein besonderes Programm gibt es zur Sommer- und zur Wintersonnenwende.

Ein unvergesslicher Sommerabend auf den „Himmelswegen“ – Sonnenwendfeier im Sonnenobservatorium Goseck

Am Samstag, dem 21. Juni 2025, wurde die Sommersonnenwende an einem der faszinierendsten Orte Europas gefeiert: im Sonnenobservatorium Goseck, der ältesten bekannten Kreisgrabenanlage unseres Kontinents. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher strömten an diesem besonderen Tag nach Goseck, um den längsten Tag des Jahres dort zu verbringen, wo schon vor über 7.000 Jahren Menschen gezielt den Lauf der Sonne beobachteten. Die eindrucksvoll rekonstruierte Anlage mit ihrem rund 75 Meter großen Durchmesser bot den idealen Rahmen für einen stimmungsvollen und erkenntnisreichen Abend.

Bereits ab 18 Uhr standen Fachleute des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, des Netzwerkes „Himmelswege“ und der Sternfreunde Merseburg e.V. für Gespräche bereit. In entspannter Atmosphäre konnten sich die Gäste mit Archäologinnen und Astronomen austauschen, mehr über die Funktion und Geschichte der jungsteinzeitlichen Anlage erfahren – und sich von der originalgetreuen 1:1-Kopie der Himmelsscheibe von Nebra begeistern lassen, die an diesem Abend ebenfalls zu sehen war.

Für große und kleine Gäste gab es kreative Mitmachaktionen, und gegen Abend wurde auch der Blick in die Weiten des Alls möglich: Mit speziellen Sonnenfiltern und leistungsstarken Teleskopen konnten Himmelskörper wie Merkur, Mars oder Regulus beobachtet werden.

Der Sonnenuntergang über der historischen Anlage sorgte für Gänsehautmomente, und viele Gäste nutzten die Gelegenheit, die einzigartige Atmosphäre in sich aufzunehmen – ein Abend, der sicher lange in Erinnerung bleiben wird.