Was in der Jungfernhöhle bei Bamberg geschah

Um die Jungfernhöhle bei Tiefenellern, ca. 15 Kilometer östlich von Bamberg auf der Hochebene der Frankenalb, ranken sich düstere Geschichten um Kannibalismus und Menschenopfer. Die Höhle soll einst als Ort für grausame Rituale gedient haben, was archäologische Funde zu bestätigen scheinen … Das bezeugt auch die Infotafel am Höhleneingang. Doch was ist in der Steinzeit zwischen 5000 und 2000 vor Christus wirklich geschehen?

Die Jungfernhöhle befindet sich ein einem großen, mit Moos bewachsenem Dolomitklotz. Der Hohlraum selbst ist eher klein – lediglich neun Meter breit, drei Meter hoch und sieben Meter lang. Das Portal selbst ist dreieinhalb Meter breite und eineinviertel Meter hoch, es geht von dort ca. zwei Meter steil nach unten. Der einzige Raum ist unregelmäßig geformt, mit einigen kleineren Seitenspalten. Ausgrabungen erwiesen die Nutzung der Höhle durch vier jungsteinzeitliche und beinahe alle nachfolgenden Kulturen. Der Name ist an eine lokale Sage angelehnt. Danach sollen dort einst drei Jungfern, die in der Höhle wohnten, umgebracht worden sein.

Kannibalismus in der Jungfernhöhle?

Die Entdeckung der Höhle erfolgte 1951 durch den Schatzsucher Georg Engert. Inspiriert hatte ihn möglicherweise die Sage von den drei kopflosen Jungfrauen, die nach ihrer Ermordung im Wald von Tiefenellern ihr Unwesen trieben und arglose Reisende mit einem Irrlicht zur Höhle lockten. Die Reisenden stürzten in die Schachthöhle und die Jungfrauen behielten die Reichtümer für sich. Georg Engert suchte die Höhle gründlich ab, fand aber keinen Schatz, sondern nur Knochen und Scherben.

In den Jahren von 1951 bis 1954 führte der Prähistoriker Otto Kunkel in der Höhle umfangreiche Grabungen durch und machte dort erschreckende Funde. Er entdeckte nicht nur Bandkeramik-Gefäße sowie als Essstäbchen interpretierte Knochenstäbchen aus der Jungsteinzeit, sondern auch Skelett- und Schädelreste von mindestens 40 Menschen. Dabei handelte es sich um 10 bis 11 Erwachsenen, darunter 9 zumeist jüngere Frauen, 4 bis 5 Jugendliche sowie 23 Säuglingen und Kindern. Eine Radiokohlenstoffdatierung ergab ein Alter von 6.150 +/− 65 Jahren – die Skelette stammen also aus der späten Steinzeit (diese ging bis ca. 2200 v. Chr.). Die Menschenknochen waren zerstreut und unvollständig, die Schädel zertrümmert und einige Röhrenknochen zersplittert. In den Kiefern fehlten Zähne.

Kunkel untersuchte die Funde und kam zu dem Schluss, dass um die Jungfernhöhle herum Menschen geopfert worden waren – und dass es möglicherweise auch zu Kannibalismus gekommen ist. Dabei zog er Parallelen zu grausigen Funden nahe Herxheim in der Pfalz – hier waren zwischen 300 und 600 Skelette gefunden worden, die Spuren von starker Gewalteinwirkung zeigten – die Knochen und Schädel wiesen Schnittwunden auf – es wurde ihnen wohl das Fleisch von den Knochen geschabt. Anschließend fand ein Gastmahl statt, in dem die Menschen möglicherweise auch aus den Schädeln der Toten tranken. Kannibalismus konnte nicht nachgewiesen werden – es ist aber definitiv nicht ausgeschlossen, dass es im Rahmen der Kulthandlungen auch dazu gekommen ist. Nach dem Fest wurden nicht nur die Knochen, sondern auch Werkzeuge wie Faustkeile, Feuersteine und sogar Mahlsteine zertrümmert und anschließend bestattet. Ist etwas Ähnliches auch in der Fränkischen Schweiz geschehen?

Menschenopfer in der Fränkischen Schweiz – oder merkwürdige Bestattungsriten?

Für Otto Kunkel war klar, dass es auch in der Fränkischen Schweiz zu ähnlichen Ritualen gekommen sein muss. Seit den 50er Jahren erfolgten weitere Grabungen in der Jungfernhöhle selbst sowie im Areal rund um die Höhle. 1997 führte  Jörg Orschiedt umfassende Untersuchungen durch und kam zu dem Schluss, dass die Skelette in der Jungfernhöhle nicht zertrümmert worden waren, sondern dass es sich um natürliche Prozesse beim Zerfall der Leichen handelte. Dazu fand er an den Knochen auch keine Schnitte wie in Herxheim. Deswegen kam er zu dem Schluss, dass die Toten in der Jungfernhöhle nicht zwingend Menschenopfer gewesen sind, sondern dort eine Sekundärbestattung erfuhren. Dies war in der späten Steinzeit nicht unüblich – in Malta beispielsweise wurden die Toten zunächst einige Zeit unter freiem Himmel abgelegt, bis schließlich die von Tieren abgenagten Knochen feinsäuberlich im Hypogäum von Hal Saflieni bestattet wurden (ein wirklich faszinierender Ort!).

Grabungen in den Jahren 2008 und 2009 wiederum brachten neue Erkenntnisse, denn diese untersuchten nicht nur die Höhle, sondern das gesamte Waldstück und auch die Sedimente, die Kunkel bei seiner Grabung aus der Höhle entfernt hatte. Dabei fanden sie heraus, dass Otto Kunkel bei seiner Grabung nur größere Knochenstücke geborgen, aber nicht die gesamte Erde durchsiebt hatte. So wurden zahlreiche weitere Knochenstücke gefunden. Möglicherweise ist also doch ein Großteil der menschlichen Individuen in vollständigem Zustand in die Höhle gelangt. 

Wie so oft, gibt die Jungfernhöhle bei Bamberg ihre Geheimnisse nicht so einfach preis. Es ist durchaus auffällig, dass in der Jungfernhöhle überwiegend Frauen und Kinder, aber keine Männer begraben wurden – von deren Leichen fehlt bislang jede Spur. Möglich, dass Männer üblicherweise getrennt von Frauen bestattet wurden – ihre Gebeine wurden allerdings bisher nicht gefunden. Was genau damals geschehen ist, bleibt so weiter im Dunkeln. Gut möglich, dass zukünftige Grabungen und Untersuchungen der Knochen die Rätsel der Toten in der Fränkischen Schweiz lösen werden. Auf der Webseite der Uni Bamberg findest du weitere Informationen zu den Ausgrabungen.

Lohnt sich ein Besuch der Jungfernhöhle?

Auch, wenn es keine gesicherten Hinweise auf Menschenopfer oder gar Kannibalismus gibt, lohnt sich ein Besuch der Höhle. An der Straße zwischen Herzogwind und dem Abzweig nach Tiefenellern befindet sich ein kleiner Parkplatz, von dem du in wenigen Minuten zur Jungfernhöhle gelangst. Der bizarr geformte Dolomitklotz bietet auf der Rückseite vom Höhlenportal einen natürlichen, überdachten Rastplatz an.

Folgst du dem Weg weiter geradeaus, stößt du auf die Reste eines großen Erdwalls – Zeugnisse einer steinzeitlichen Siedlung. Absolutes Highlight in der Umgebung ist allerdings der Aussichtspunkt Eulenstein. Dieser lässt sich in etwa 10 Minuten gut zu Fuß erreichen. Von hier aus bietet sich ein herrlicher Blick bis nach Bamberg.

Unterhalb von Herzogenreuth entspringt dazu der Ellernbach, der durch ein hübsches, enges Tal fließt und Sinterterrassen gebildet hat.

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