Am 21. Dezember ist es wieder so weit: Die Wintersonnenwende markiert den kürzesten Tag und die längste Nacht des Jahres – zumindest auf der Nordhalbkugel. Ab diesem Moment kehrt das Licht langsam zurück. Für viele moderne Menschen bleibt dieser Wendepunkt unbeachtet, überlagert vom Trubel der Vorweihnachtszeit. Doch für unsere Vorfahren war die Wintersonnenwende eines der bedeutendsten Ereignisse im Jahreskreis – ein Symbol der Hoffnung, des Neuanfangs und der Wiedergeburt des Lichtes. Auch heute gibt es Orte, an denen diese besondere Zeit bewusst erlebt und gefeiert wird.
Archäologische Kultplätze an den Himmelswegen: Pömmelte, Goseck und der Mittelberg

Besonders eindrucksvoll kann man die Sonnenwende an Orten erleben, die seit Jahrtausenden genau dafür geschaffen wurden. Die Kreisgrabenanlagen von Goseck (Sachsen-Anhalt) und das Ringheiligtum Pömmelte (Sachsen-Anhalt) sind archäologische Zeugnisse einer uralten Sonnenbeobachtung. Ihre Tore sind exakt so ausgerichtet, dass die auf- und untergehende Sonne der Wintersonnenwende hindurchscheint. Ein Gänsehautmoment, wenn man bedenkt, dass diese Bauwerke rund 7.000 Jahre alt sind.
Nicht weit entfernt befindet sich der Mittelberg bei Nebra, bekannt als Fundort der Himmelsscheibe von Nebra. Auch hier kann man heute – vom eigens errichteten Aussichtsturm – den Sonnenauf- und -untergang beobachten. Die Himmelsscheibe selbst gilt als älteste konkrete astronomische Darstellung der Welt.
Ein weiterer Ort mit besonderer Ausstrahlung: das Grab der Dolmengöttin bei Langeneichstädt, ebenfalls in Sachsen-Anhalt. Auch hier lohnt sich ein Besuch zur Sonnenwende – die mystische Atmosphäre dieses jungsteinzeitlichen Kultorts lässt niemanden unberührt.
Zwischen Mythos und Feuer: Die Externsteine und die Sächsische Schweiz

Die Externsteine im Teutoburger Wald gelten vielen als spiritueller Kraftort. Zwar fehlen archäologische Beweise für eine gezielte Sonnenwendbeobachtung – wie sie etwa in Goseck oder Newgrange zu finden sind – doch ziehen auch heute noch viele Menschen zur Wintersonnenwende an diesen sagenumwobenen Ort, um innezuhalten, zu meditieren oder gemeinsam das Licht zu feiern.
In der Sächsischen Schweiz hat sich ein eigener Brauch entwickelt: Bergsteiger, Naturfreunde und Wanderer treffen sich am 21. Dezember zu Sonnenwendfeiern in freier Natur. Auf der Kleinen Liebe, einer Waldlichtung bei Ostrau (Bad Schandau), entzünden sie ein Sonnenwendfeuer und lauschen ab 17 Uhr den Liedern der Bergfinken Dresden, einem Chor des Sächsischen Bergsteigerbundes. Auch auf der anderen Elbseite, in Kleinhennersdorf (Gohrisch), wird gefeiert – mit dem berühmten Sächsischen Bergsteigerchor „Kurt Schlosser“ Dresden. Bei Liedern, Feuer, heißen Getränken und Gemeinschaft wird die Dunkelheit ein Stück weit heller.
Ewige Anbetung in Franken: Katholisches Lichtfest mit heidnischen Wurzeln

Wer glaubt, Sonnenwendfeiern seien ausschließlich ein „heidnischer“ Brauch, wird in der Fränkischen Schweiz eines Besseren belehrt. Am 20. Dezember findet in Oberailsfeld die sogenannte Ewige Anbetung statt – ein katholisches Fest, bei dem der ganze Ort in Lichterglanz getaucht wird. Felsen und Wege sind mit Kerzen gesäumt, es entsteht eine ganz eigene, andächtige Stimmung. Auch wenn das Fest einen christlichen Hintergrund hat, spürt man deutlich die Verbindung zu älteren Ritualen. Mein Tipp: Auch Obertrubach bietet ein besonders schönes Erlebnis.
Die bekannteste Lichterprozession findet übrigens am 6. Januar in Pottenstein statt – ein echtes Spektakel und wunderbarer Abschluss der Rauhnächte.
Von Stonehenge bis Rom: Die Sonnenwende in Geschichte und Mythos

Weltweit weisen Bauwerke darauf hin, wie bedeutsam die Wintersonnenwende schon in grauer Vorzeit war. Stonehenge in England, Newgrange in Irland oder auch der Steinzeit-Tempel Majdra auf Malta, sind präzise auf den Sonnenstand an diesem Tag ausgerichtet. In Newgrange fällt das erste Licht der aufgehenden Sonne durch einen schmalen Gang tief in eine Grabkammer – und beleuchtet dort uralte Symbole. Ein Moment von berührender Schönheit, der nur wenige Minuten dauert.
Auch bei den alten Römern spielte die Wintersonnenwende eine wichtige Rolle. Sie feierten die Saturnalien, ein Fest zu Ehren von Saturn, dem Gott des Ackerbaus und Symbol eines goldenen Urzeitalters. Es wurde ausgelassen gefeiert, mit Geschenken, Rollentausch und gemeinsamen Gelagen – nicht unähnlich dem heutigen Weihnachtsfest. Dass der Geburtstag Jesu auf die Zeit der Saturnalien gelegt wurde, war kein Zufall: Viele heidnische Feste wurden von der Kirche übernommen und umgedeutet, um den Übergang zu erleichtern – während die Rituale weitgehend erhalten blieben.
Fazit: Licht feiern – heute wie damals
Die Wintersonnenwende ist mehr als ein astronomisches Ereignis. Sie erinnert uns daran, dass selbst die längste Nacht endet, dass nach der Dunkelheit das Licht zurückkehrt. Ob in einem steinzeitlichen Sonnenobservatorium, am Lagerfeuer mit Freunden oder bei einer stillen Andacht im Lichterschein – dieser Tag lädt dazu ein, innezuhalten, zu danken und voller Hoffnung nach vorn zu blicken.
Vielleicht nimmst auch du dir am 21. Dezember einen Moment Zeit – für das Licht in dir und um dich herum.
